Die “Muslimischen Kulturtage” sind eine vom Senat in Berlin geförderte Veranstaltungsreihe, die vom 19. – 22. September 2019 stattfanden. Innerhalb dieser Tage wurde ein breites kulturelles Programm auf die Beine gestellt, welches die Vielfältigkeit der Berliner Muslimischen Communities repräsentierte und nicht-muslimische BürgerInnen Berlins dazu einlud, das muslimische Leben und die kulturelle Vielfalt kennen zu lernen. Für die Erarbeitung des Konzepts und Durchführung der Muslimischen Kulturtage haben sich VertreterInnen unterschiedlicher muslimischer Gemeinden und gemeindeunabhängige muslimische Personen zusammengefunden.

Soufeina war selbst zweifach vertreten: Einmal als ausstellende Künstlerin in der Blogfabrik und einmal am Abend des selbigen Tages als Graphic Recorderin.

Ausstellung in der Blogfabrik

Soufeinas Ausstellung war in einem etwas kleineren, gemütlichen Raum mit schöner Beleuchtung und zwei weiteren KünstlerInnen: Ayse Avdic und Noor Iskandar.

Während ich mir ihre Bilder anschaute, die ich bereits kannte, hörte ich neugierig den anderen Besuchern zu. Denn zum ersten Mal hatte ich die Chance, die Zeichnungen nicht nur mit meinen Augen als Privatperson und Assistentin zu sehen, sondern auch mit den Augen von Menschen, die sich „abgeholt fühlten“.

Das Thema „nicht wählen zu können, wo man hingehört” oder die Wahl zwischen mehreren Nationalitäten, kam doch recht oft zum Vorschein. Spannend, dass die Menschen das Bedürfnis haben, andere in eine Schublade zu stecken, obwohl sie rein herkunfts-technisch in mindestens zwei gehören können – wenn nicht sogar in mehrere. Ich habe gemerkt, dass es nicht nur die Menschen verunsichert, die in Schubladen stecken – denn warum sonst würden sie es tun, sondern auch die, die aus der Schublade nicht rauskönnen und das nur, weil sie bilingual, religiös „andersgläubig“ sind oder eine dunklere Hautfarbe haben, usw.

Ich war überrascht wie sehr die Anwesenden Soufeinas Nähe suchten, um ihre Geschichten, Eindrücke und Erlebnisse zu erzählen, als könnte Soufeina diese ändern. Und anscheinend kann sie etwas ändern, indem diese Personen die Stärke finden auszusprechen, was sie beschäftigt und dadurch stärker werden, zu sich zu stehen und Soufeina ihnen einfach zuhört. Denn wie so oft, hilft es, nicht alleine zu sein und die Zustimmung von jemandem zu erhalten, der diese Stärke auch öffentlich lebt – in diesem Fall Soufeina mit und durch ihren Zeichnungen. 

Solche Orte – sowie die Vorstellung am Abend, aber dazu in einem anderen Blog mehr – „machen die Welt bunter und man empfindet Zugehörigkeit“, wie ich von Soufeina, außerhalb des ursprünglichen Kontextes, aufgeschnappt habe. Die Menschen möchten ihre Gedanken teilen – wie das Wort schon sagt, man teilt es mit jemandem und ist somit nicht mehr alleine. 

Mein persönlicher Eindruck war, dass moderne Kunst und verschiedene Zeichen-/Malübungen von Soufeina Religion, Kultur, Glauben und gesellschaftliche Verschiedenheit treffen. Die Zeichnungen basieren auf Geschichten aus dem eigenen Leben oder dem einer Freundin (z.B. Migrationshintergrund) oder Soufeinas Schwester selbst (z.B. die Illustration von der Apotheke).

In einem Gespräch zwischen Soufeina und einem Besucher konnte ich mich ganz leise und unauffällig dazustellen und zuhören, wie Soufeina auf seine Frage antwortete, dass für sie „Bilder eine gute Methode sind entspannter (solche Themen) anzugehen, auf einer eins-zu-eins Ebene anzusprechen anstatt in einer ernsten Talkshow oder sowas darüber nur zu reden. Da wir in einem visuellen Zeitalter leben, ist der Effekt nicht minder wert als das gesprochene Wort. Wenn man online scrollt, bleibt man bei einem Bild eher stehen als bei einem Text, um sich diesen durchzulesen.“ Ich mochte was sie gesagt hat, deswegen habe ich es mir direkt notiert, um es mit Euch zu teilen. Vielleicht kann der/die Eine oder Andere für sich etwas rausnehmen.

Ein Gedankenlabyrinth zeichnen

Das Graphic Recording fand später am Abend im Babylon unter dem Titel „Growing Thoughts. Im Labyrinth unserer Gedanken“ statt.

Graphic Recording ist immer, auch für Soufeina, eine herausfordernde Tätigkeit. Dabei geht es darum auf der Bühne Gesagtes visuell und synchron mitzuzeichnen. Im Babylon hieß das für Soufeina konkret sechs achtminütige Vorträge festzuhalten, deren Inhalte sie vorher nicht kannte. Ihr Graphic Recording wurde dabei immer wieder auf der Leinwand eingeblendet. Das Ergebnis seht ihr hier.

Die beiden ModeratorInnen waren Ouassima Laabich-Mansour und Dennis-Sadik Kirschbaum und die künstlerische Intervention haben Ususmango, Meryem Polatund Tayfun Guttstadt gemacht. Die eingeladenen SpeakerInnen Mirza Odabasi, Youssef Adlah, Asmaa El-Maaroufi, Asma Aiad, Nadir Nahdi und Amani Abuzahra „haben uns mit ihren Worten in ihre Gedankenwelt eintauchen zu lassen.“ Es ging darum, uns „zu empowern, zu sensibilisieren und zu begeistern; einen Einblick in ihre Gefühlswelt zu geben“. 

Dabei ging es um Fragen wie: Welche Herausforderungen mussten sie auf ihrem Weg meistern? Wo fanden sie Unterstützung? Woher nehmen sie die Kraft jeden Tag ein Stück weiter voranzukommen? 

All dies und mehr ist Teil der „Growing Thoughts“ durch das Labyrinth der Gedanken der SpeakerInnen. Es waren die verschiedensten Menschen und Nationalitäten vor Ort – sie haben sich beschwingt unterhalten und darauf gewartet, dass sich die Türen zum Saal öffnen.

Ein Vortrag handelte vom Geschichtenschreiben und -lesen. Die Gesellschaft braucht Veränderungen, mehr Vielfältigkeit. In diesem Zusammenhang sollten wir uns fragen: Wer erzählt, wessen Geschichte wird erzählt und welche stehen uns zum Lesen zur Verfügung stehen? Diesbezüglich tut sich auch der Gedanke auf, dass es notwendig ist, Raum einzunehmen: „Gedanken brauchen prozesshafte und verändernde Zeiten und Raum“. In diesem Raum ist es ebenso wichtig, zu lernen auszuhalten, dass „Menschen anders lieben, glauben und leben“, denn „neue Wege entstehen nur, indem man sie geht“. Diese neuen Wege kann man erst gehen, wenn man alles Vorangegangene aufgearbeitet und abgeschlossen hat. Vielen hilft es ihre Geschichte zu erzählen, sie laut auszusprechen und Mitreisende zu finden. Dadurch realisieren sie, dass ihre Geschichten legitim, berechtigt und gültig sind. Dann hat man Raum und Zeit loszulassen. Denn meistens begleitet uns nicht das, was gesagt wurde, sondern das Gefühl, was das Gesagte in uns ausgelöst hat. Diese Räume, Zeiten und Wege sollen uns helfen, zu verstehen was „unsere Identität ausmacht und was Identität in unserer heutigen globalisierten Welt überhaupt bedeutet“. Das hängt von den Gedanken ab, die wir denken, die zu Worten und dann zu unseren Handlungen werden.

Deswegen ist es von großer Bedeutung auch, Worte zu realisieren: Es verhilft zum Erfolg. Die erste Ebene des Erfolges ist Vision, die Zweite Ambition und die Dritte Aktion. Es geht darum, dass und wie man „Ausgesprochenes wahr werden lassen“ kann und soll. Die Idee ist, dass Worte Realitäten schaffen – das gibt Macht – seine eigene braucht jeder in seinem Leben. Denn wer will schon lieber die Realität eines Anderen als die Eigene leben? „Andere definieren, wer Du sein sollst, weil sie für Dich sprechen“. Bevor das passiert, habe den Mut, die Kraft und die Eigenliebe Dich selbst zu definieren und zu realisieren.

In diesem Sinne: „Man braucht kein Zertifikat an der Wand, um die Welt zu verändern.“ Das sagte der Vater eines Speakers und ich finde, es ist ein schöner Gedanke als Schlusswort.

Geschrieben von: Linna Füzesi, tuffix Assistenz, Schauspielerin und leidenschaftliche NLP-Auszubildende

Facebooktwitterredditpinterestlinkedinmailby feather